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Kommentar

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Beitrag vom 08.11.2011
Betreff: „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“
Von: Anatol Schmied-Kowarzik


Ich lese gerade mit großem Interesse Ihr Buch „Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“. Dank Ihrem Buch verstehe ich nicht nur die gegenwärtige Wirtschaftskrise besser, auch die Theorien, die hinter manchen Statements in Diskussionsrunden stehen, begreife ich nun durch Ihre Darstellungen und Widerlegungen. Auf eine Sache möchte ich in Ihrer Argumentation dennoch hinweisen.

Sie weisen – in konträrer Position von den einflussreichen Wirtschaftswissenschaftlichern – zu Recht darauf hin, dass die Höhe der Löhne nicht für die Arbeitslosigkeit verantwortlich ist, weil Löhne für die Unternehmer nicht nur Ausgaben, sondern über den Konsum der Arbeiter auch Einnahmen sind.

Eine Ursache der Massenarbeitslosigkeit ist das langsamere Steigen der Produktion gegenüber der Produktivität. Auch hier wird von Ihnen ausgezeichnet dargestellt, wie sinkende Löhne auf diese immer weiter auseinanderklaffende Schere wirken, indem sie die Nachfrage reduzieren und damit die Produktion bremsen.

Allerdings stellt sich die Frage, ob die sinkenden Löhne der ursächliche Auslöser der Scherenwirkung sind oder nicht nur eine falsche Medizin, die diese Diskrepanz beider Entwicklungen nur beschleunigt? In der Widerlegung der „Gewinn-“ und der „Kaufkrafttheorie“ (80-82) kommen Sie zu dem Schluss (Löhne sind Kosten und Einkommen), dass die Löhne idealerweise so hoch sein müssen, dass sie verteilungsneutral wirken, also der Anteil am Preis der Arbeiter durch Lohn und der Unternehmer durch Gewinn (Investitionszinsen) gleich bleibt. Dann können Arbeiter auch einen gleich bleibenden Anteil ihrer Produktion konsumieren.

Wenn nun nicht die Löhne Ursache des langsameren Steigens der Produktion gegenüber der Produktivität sind, so bedeutet das noch nicht, dass diese Diskrepanz nicht doch aus der Lohnarbeit entsteht, allerdings auf der anderen Seite, nämlich den Unternehmergewinnen. Jeder Arbeiter stellt mehr Güter her, als er mit seinem Lohn konsumieren kann. Diese überstehende Menge ist der Gewinn der Unternehmer, der aber erst durch den Erwerb zum Konsum – von dem Unternehmer selbst oder von anderen durch Kauf – nutzbar wird. Wenn nun die Unternehmer weniger konsumieren als ihnen am Gewinn bleibt, gibt es produzierte Güter, die aber nicht konsumiert werden; das Gut ist damit wertlos (sei es durch Unverkäuflichkeit, sei es durch eine Gesamtpreisreduktion). Zwar kann durch Investition die Konsumfähigkeit weitergegeben werden (indem Geld beispielsweise für eine neue Werkshalle etc. ausgeben wird, das Geld hat dann ein anderer, der damit die Güter kaufen kann, die der Investor nicht verkonsumieren wollte/konnte).

Dies geht aber nur so lange, wie die Weitergabe mittels Investition auch tatsächlich irgendwann zum Konsum führt. Wenn aber am Ende dennoch weniger Güter konsumiert werden (weil auch die, an die die Investition weitergegeben wurde, selber investieren oder anderweitig Wert und nicht Konsum haben wollen), als produziert wurden, bleiben notwendigerweise Güter unkonsumiert zurück. Der Gewinn wird in Form von Gütern wertlos und wirkt somit bremsend auf die Produktion, womit die oben beschriebene Scheer aus Produktion und Produktivität ausgelöst werden kann. Dann sind nicht die Löhne, sondern die Unternehmergewinne die Ursache. In diesem Fall ist das Problem der Arbeitslosigkeit aber nicht durch „verteilungsneutrale“ Lohnwachstumsraten behoben, weil die absoluten Gewinne schon zur Ausgangssituation so hoch sind, dass Güter unkonsumierbar sind und sich daher das Investieren nicht mehr rentiert. Diese „wertlosen Gewinne“ müssen aber alleine bei „verteilungsneutralen“ Lohnwachstumsraten durch d

ie Produktionssteigerung wachsen. Den Anteil der Arbeiter am Preis steigen zu lassen funktioniert aber auch nicht, wie Sie in Widerlegung der Kaufkrafttheorie dargelegt haben.

Der Hinweis, dass es Länder wie z. B. die USA gibt, bei denen die Schere aus Produktion und Produktivität nicht, zumindest nicht so schnell wie in Deutschland oder Japan auseinander geht, liegt möglicherweise an anderen Faktoren, mit denen die Unkonsumierbarkeit von Gewinnen umgangen werden kann, die aber wieder andere Probleme auslösen, z. B. den Konsumkredit, der, wie Sie sehr richtig sagen, etwas ganz anderes als ein Investitionskredit ist (221-224) oder die Spekulation, in der Geld weder für Produktionssteigerung, noch für Konsum eingesetzt wird, sondern Gewinne sozusagen zwischengelagert werden, weil man nichts anderes damit anfangen kann. Wie gesagt, auch diese haben Folgen und wirken auf den Geldwert, die Produktion und damit den Konsum zurück, was hier zu weit führen würde.

Wenn nicht die Lohnhöhe Auslöser der heutigen Krise sind, sind es dann vielleicht nicht die absolute Höhe der Unternehmensgewinne, die, in Gütern betrachtet, dazu führt, dass der Warenkreislauf durcheinander gerät, weil sie ihren Anteil nicht mehr konsumieren können/wollen?